"native Speaker" Von Lee Chang-Rae
Essay by review • December 10, 2010 • Research Paper • 9,243 Words (37 Pages) • 3,823 Views
1. Einleitung
Unter „auslandskoreanischer Literatur" verstehen wir Werke koreanischer Schriftsteller, die im Zuge der Katastrophen und UmwÐ'lzungen des 20. Jahrhunderts die koreanische Halbinsel verlassen haben oder Nachkommen ausgewanderter Familien sind, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben fÑŒr die Emigration entschieden haben.
Das Interesse an den koreanisch-amerikanischen Schriftstellern ist gerade im letzten Jahrzehnt kontinuierlich gestiegen, wÐ'hrend die Werke dieser Literaten zunehmend sowohl an PopularitÐ't, als auch an Publikum gewonnen haben. Die Ursache fÑŒr diese Entwicklung hat der koreanisch-amerikanische Autor Lee Chang-rae in einem Interview ziemlich treffend formuliert: „Der amerikanische Charakter ist das Ergebnis stÐ'ndiger Vermischung und Verschmelzung von Kulturen, was natÑŒrlich wunderbar und aufregend, doch oft auch problematisch ist. Zugleich ist es auch die Essenz dessen, was es bedeutet, ein Amerikaner zu sein." So ist es wohl auch nicht verwunderlich, dass ein kultureller Schmelztiegel wie Amerika, der eine Vielzahl von EthnizitÐ'ten beherbergt, ein immer grцЯeres BedÑŒrfnis zeigt, sich mit dem Immigrantenthema auseinanderzusetzen.
Soweit es die koreanisch-amerikanische Literatur betrifft, hat Lee Kihan, Professor fÑŒr Literatur an der Myongji UniversitÐ't in Seoul, die 90er Jahre sogar „als BlÑŒtezeit der koreanisch-amerikanischen Literatur [...]" bezeichnet, in der diese „[...] Autoren von den Randzonen in den Hauptstrom amerikanischer Prosafiktion" gerÑŒckt sind. Als Vorreiter gilt hierbei Autor Kang Younghill, dessen zwei bekanntesten Werke „The Grass Roof" (1931) und „East Goes West" (1937), die beide seine Auswanderung in die USA thematisieren, zugleich als Beginn der koreanisch-amerikanischen Literatur gesehen werden kцnnen. AuЯer dass sie Beschreibungen und ErklÐ'rungen zur koreanischen Kultur liefern, befassen sich diese Werke mit der Frage und Suche nach der eigenen IdentitÐ't, sowie der damit einhergehenden Verwirrung und Sehnsucht nach einem ZugehцrigkeitsgefÑŒhl, wobei eben diese Topoi sich wie ein roter Faden durch so gut wie alle bisherigen Werke von Asia-Amerikanern zieht. Leider scheint es, als wÑŒrde den Autoren dieser Gruppe nur zugestanden, „kundig ÑŒber ihre ethnische Herkunft zu schreiben: einmal Immigrantenautor, immer Immigrantenautor. Neben literarischer QualitÐ't wird stets ethnografischer Informationsgehalt erwartet."
In den 60er Jahren betritt ein weiterer koreanisch-amerikanischer Schriftsteller die amerikanischen LiteraturbÑŒhne, nÐ'mlich Richard E. Kim (geb. 1932), dessen Werk „The Martyred" (1964) spÐ'ter in 10 Sprachen ÑŒbersetzt wird. Bemerkenswert ist auch Kims Nominierung fÑŒr den Literaturnobelpreis - als bis heute einziger asiatisch-amerikanischer Schriftsteller.
Im Gegensatz zu Literaten wie Kang und Kim, die in Korea aufgewachsen und erst als Erwachsene nach Amerika ausgewandert sind, besteht nun der entscheidende Unterschied zwischen ihnen und der neuen Generation koreanisch-amerikanischer Literaten darin, dass die Letzteren Nachkommen von Immigranten sind und entweder in den USA geboren, oder ihren Eltern dorthin gefolgt sind, als sie noch sehr jung waren, und ihr gesamtes Leben somit in der amerikanischen Kultur verwurzelt ist.
Der wohl erfolgreichste Autor dieser neuen Riege ist Lee Chang-rae, auf dessen Erstlingsroman „Native Speaker" (1995) sich diese Arbeit konzentriert. Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Figuren und deren Beziehungen untereinander, sowie ErzÐ'hlstruktur und Analyse der vielschichtigen HandlungsstrÐ'nge, aber vor allem sollen die zentrale Problematik der IdentitÐ'ts-findung und der ÑŒberaus wichtige Aspekt der Sprache nÐ'her beleuchtet werden.
Angesichts der Tatsache, dass dieses Werk sich mit Inhalten befasst, die eher nicht zu den beliebten Standardthemen der breiten Masse zÐ'hlen, ist der immense Erfolg von „Native Speaker" bis jetzt einmalig in der Form. FÑŒr Lee jedoch ist dies nicht trotz, sondern gerade deswegen der Fall: „"Native Speaker" [...] has connected with American readers for its exploration of the immigrant psyche. This is a subject [...] that captures the imagination of a lot of readers, particularly American readers."
2. Geschichte der koreanischen Immigration in die USA
Die Aussicht auf einen besseren Lebensstandard, sowie bessere Ausbildungsmцglichkeiten fÑŒr ihre Kinder veranlassten viele Koreaner dazu, in die Staaten auszuwandern, aber auch die durch den Krieg bedingten militÐ'rischen, politischen und цkonomischen Beziehungen zwischen den USA und Korea sind ein Grund dafÑŒr, dass SÑŒdkorea mehr Immigranten nach Amerika schickte als andere asiatische LÐ'nder wÐ'hrend dieser Zeit.
Die koreanische Auswanderung in die USA lÐ'sst sich in drei groЯe Wellen einteilen:
1. die erste zwischen 1903 und 1905, in Form von etwa 7500 Koreanern, die als billige ArbeitskrÐ'fte auf den Zuckerrohrplantagen Hawaiis versuchten, ein neues Leben zu beginnen;
2. die zweite Einwanderungswelle erfolgte 1950 mit dem Beginn des koreanischen Krieges und bestand zum einen aus Frauen, die amerikanische Soldaten geheiratet hatten - auch bekannt als „internationally married women" oder „military brides"; fast 50 000 von ihnen kamen zwischen 1950 und 1980 in die Staaten. Zum anderen handelte es sich hierbei um Kinder, die von amerikanischen Familien adoptiert worden und von denen seit 1953 etwa 300 000 in Amerika eingereist waren (grцЯtenteils Kriegswaisen, aber auch Kinder unverheirateter Frauen oder armer Familien, sowie Kinder, die aus Verbindungen zwischen koreanischen Frauen und amerikanischen Soldaten entstanden waren);
3. die dritte groЯe Welle setzte 1965 ein, nachdem der Jahrzehnte andauernde Einwanderungsstopp fÑŒr Asiaten aufgehoben wurde, wÐ'hrend von 1976 bis 1990 jÐ'hrlich rund 30 - 35 000 Koreaner in die USA immigrierten und in den 70er und 80er Jahren damit zur drittgrцЯten Einwanderungsgruppe nach den Mexikanern und Philippinos wurden.
Nach 1987 fing die koreanische Einwanderung allmÐ'hlich an abzuflauen (1993 war es nur noch die HÐ'lfte der Zahl von 1987, also etwa 18 000), was sicherlich auch daran lag, dass sich die wirtschaftliche, politische und soziale Situation in Korea stark besserte. AuЯerdem trug das bereits seit langem bestehende Problem zwischen den schwarzen und asiatischen bzw. koreanischen Gruppen in den USA dazu bei, dass die Immigrationswelle gedÐ'mpft
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